Spurensuche auf Islay – das „Yellow Submarine“ und Harold Hastie


Anfang April war ich mit zwei Freunden auf der schottischen Insel Islay unterwegs – ein Ort, der nicht nur für seinen unverwechselbar rauchig-torfigen Whisky bekannt ist, sondern auch für Geschichten, die einen lange begleiten. Unsere Reise war eine Mischung aus Destilleriebesuchen, eindrucksvollen Landschaften – und einer besonderen Begegnung mit Harold Hastie, einem echten Ileach (gälisch für einen Einwohner Islays) und einem der Protagonisten aus meinem Buch Schottische Geschichten, dort der Erzählung Das Yellow Submarine von Islay – Lost &Found. Diese Geschichte nahm ihren Anfang im Juni 2005 mit einem kuriosen Fund: Der Fischer John Baker entdeckte bei der Kontrolle seiner Hummerkörbe ein großes, gelbes Objekt im Meer. Was zunächst wie eine Warntonne wirkte, entpuppte sich als über zwei Meter langes, ferngesteuertes Mini-U-Boot der britischen Royal Navy – ein Minensuchgerät. Trotz der deutlichen roten Aufschrift „DO NOT TOUCH“ und „CONTACT POLICE / NAVY“ wollte die Marine zunächst nichts davon wissen. Bakers Anruf bei der Faslane Naval Base wurde knapp mit „Wir vermissen kein gelbes U-Boot“ abgewiesen – was aber nicht das im Hafen an einem Kran hängende Problem löste.

 

Has anybody lost a yellow submarine?

Kurzentschlossen landete das Hightech-Gerät im Vorgarten von Harold Hastie in Port Ellen. Drei Monate lang wurde sein Garten zur inoffiziellen Touristenattraktion. Die lokale Presse kommentierte augenzwinkernd: „Has any body lost a yellow submarine?“ Die Geschichte verbreitete sich weltweit – und Harold wurde zur lebenden Legende auf Islay. Während unseres Aufenthalts machten wir ein Erinnerungsfoto genau an diesem Ort – in Harolds Garten, wo das U-Boot damals stand. Mit im Bild: Sonderabfüllungen der Bruichladdich-Destillerie, die schnell und typisch schottisch mit einer kreativen Marketingidee reagierte. Die „Yellow Submarine“-Editionen wurden zur Hommage an den Fund und sind heute begehrte Sammlerstücke.

 

René Niklaus und Harold Hastie im Vorgarten seines Hauses in Port Ellen

René Niklaus und Harold Hastie im Vorgarten seines Hauses in Port Ellen

 

Auf einen Dram mit Harold Hastie

Bei einem Dram Whisky auf seiner Terrasse erzählte uns Harold gut gelaunt weitere Anekdoten – mit typisch schottischem Humor, einem herzlichen Lachen und der Gelassenheit eines Mannes, der viel erlebt hat. Heute ist er nicht mehr als Fischer tätig, sondern bietet Bootsausflüge mit seinem gelben treffend benannten Schiff Islay Single Malt Scotch Whisky an. An Bord führt er ein großes Album mit Zeitungsausschnitten und Fotos zum Yellow Submarine mit – ein lebendiges Archiv, das Besucher begeistert. Die Geschichte des Yellow Submarine ging weiter: Im September 2005 wurde das U-Boot schließlich von der HMS Blyth abgeholt. Als es 2016 ausgemustert wurde, ersteigerte die Bruichladdich-Destillerie das Gerät kurzerhand bei eBay, restaurierte es und präsentierte es spektakulär beim Islay Festival. Heute steht das gelbe U-Boot wieder auf dem Gelände der Destillerie – ein Symbol für eine außergewöhnliche Geschichte.

 

Harold Hastie auf seinem Boot, vor ihm ein Album mit Zeitungsausschnitten

Harold Hastie auf seinem Boot, vor ihm ein Album mit Zeitungsausschnitten

 

Wenn Realität auf Erzählung trifft

Der Besuch bei Harold war für mich ein besonderer Moment tiefer Verbindung – zwischen der Realität und der Geschichte, die ich in meinem Buch erzählt habe. Es ist selten, dass man eine Erzählung, die man niedergeschrieben hat, später mit einer ihrer Figuren noch einmal real erleben darf. Es war eine Mischung aus Wiedersehen, Anerkennung – und aufrichtiger Freude. Denn Geschichten leben nicht nur auf dem Papier. Manchmal stehen sie im Garten eines Fischers. Oder sitzen mit einem Dram Whisky auf der Terrasse und erzählen von gelben U-Booten. Weitere Wee Stories finden Sie in meinem Buch Schottische Geschichten. Vielleicht machen Sie in Schottland ähnlich unvergessliche Erfahrungen.

 

René Niklaus vor dem Yellow Submarine mit seinem Buch

René Niklaus vor dem Yellow Submarine bei Bruichladdich mit seinem Buch


Noch mehr ungewöhnliche und kuriose Geschichten aus Schottland? Lesen Sie Schottland von René Nicklaus.