Lügen haben lange Nasen


Die Geschichte des Holzjungen Pinocchio

Die Holzfigur mit der langen Nase ist Italiens bekannteste Märchengestalt. Sein Schöpfer Carlo Lorenzini wurde 1826 in Florenz geboren. Nach dem toskanischen Heimatort seiner Mutter nannte er sich Carlo Collodi, denn dieser Name erschien ihm für einen Schriftsteller klangvoller als sein ursprünglicher Geburtsname. Er übersetzte Märchen und schrieb Lehrbücher für die Schule. Unterricht müsse Kindern Spaß machen, so seine feste Überzeugung.

1881 schickte er einem befreundeten Redakteur eine Geschichte, die vom Leben der Holzpuppe Pinocchio handelte, und der veröffentlichte sie in einer Kinderzeitschrift. Die Leserschaft reagierte begeistert, deshalb schrieb Collodi weitere Episoden. Heute gehört Pinocchio zu den populärsten Kinderbüchern der Welt, in Italien ist es eines der meistgelesenen Bücher nach der Bibel.



Zahlreiche fantastische Figuren schmücken die Geschichte, sprechende Tiere, die Fee mit ihren blauen Haaren und letztlich Pinocchio selbst. Märchenhafte und komische Elemente fügen sich zu einer aufregenden Abenteuerstory zusammen. Klar ist jedoch die pädagogische Intention des Werks:

Pinocchio ist das Kind, der unfertige Mensch, der Begegnungen mit dem Guten und dem Bösen macht, und der lernen muss, die richtigen Entscheidungen zu treffen.

Collodi hat sich stark vom Volkstheater der Toskana inspirieren lassen. In der Toskana existierte damals noch die Tradition, Marionetten von verstorbenen Vorfahren, Nachbarn oder Freunden anzufertigen und damit unterhaltsame Spiele aufzuführen. Doch hat Collodi auch zahlreiche politische Anspielungen in die Geschichte einfließen lassen. Vielleicht liegt es an diesen Hintergründen, dass sich sein Buch über die Kinderlektüre hinaus zu einem Stück italienischer Nationalliteratur entwickelt hat und Pinocchio zum bekanntesten Kind der Toskana avancierte.


Eine kleine Geschichte mit großem Erfolg

Der beschauliche Ort Collodi, zwischen Lucca und Pistoia im Norden der Toskana gelegen, hat dem Dichter in Form des Pinocchioparks ein Denkmal gesetzt. Hierbei handelt es sich keinesfalls um einen Vergnügungspark, vielmehr ist es eine von Kunstwerken geschmückte Gartenanlage, in der viele Themen aus der Geschichte des Pinocchio aufgegriffen werden. Zum Beispiel der große Hai, durch dessen Maul man schreiten kann, um Geppetto im Bauch des Raubfisches zu besuchen.
Der Park entstand in einem Zeitraum von mehr als 30 Jahren zwischen 1956 und 1987. Künstler wie Emilio Greco und Venturino Venturi schufen Skulpturen dafür, namhafte Architekten beteiligten sich an der Gestaltung der Anlage. Zwischen üppiger Vegetation entdecken die Besucher Schauplätze des Romans wie das große Puppentheater, das weiße Haus der Fee, das Spielzeugland, den Goldmünzenbaum oder das Dorf Geppettos. Und begegnen den bekannten Figuren, zum Beispiel Kater und Fuchs, der sprechenden Grille, den vier schwarzen Kaninchen, dem grünen Fischer, Geppetto und der Fee sowie selbstverständlich immer wieder Pinocchio selbst. Zahlreiche Veranstaltungen und ein großer Spielplatz runden die Attraktionen des Pinocchioparks ab.
Gualdo, ein kleiner Ort in den Hügeln bei Massarosa nahe der Versiliaküste, ehrt Pinocchio mit einem alljährlichen Festival im August. Verkleidet als Figuren aus dem Roman verwandeln Gualdos Bewohner die Gassen des Dorfs in eine einzige Pinocchio-Kulisse. Und alle feiern bei reichlich gutem Essen und toskanischem Wein das Happy End der Geschichte von der Holzpuppe mit der langen Nase.

Almut Irmscher


Wenn Sie mehr über die toskanische Kultur oder das Land von Kunst und Genuss lesen möchten, werfen Sie doch einen Blick in das Toskana-Lesebuch von Almut Irmscher.