COVID-19, Reisebeschränkungen, Reiseverbote – so manch einem wird erst jetzt der Wert der Freiheit richtig bewusst, nun, wo sie fast weg ist. Aber „Nichts währt ewig“, wie man so schön sagt. Nach Regen kommt auch wieder Sonnenschein. Nach virtuellen Ersatz-Welten und Monaten im Internet, lassen Sie uns doch gemeinsam langsam wieder von den „alten“ Freiheiten träumen, die hoffentlich bald wieder zurück sind. Gehen Sie dann doch einfach einmal Wandern in Singapur anstatt bei sich zu Hause um die Ecke!
Ich für meinen Teil denke, dass uns die COVID-Pandemie einiges gelehrt hat: Erstens, dass das Internet wichtig und nützlich sein kann. Zweitens, dass die Scheinwelt der sozialen Medien und der Fake News großen psychischen wie auch materiellen Schaden anrichtet.
Und noch eins führt uns die Krise drastisch vor Augen: nämlich, dass nichts, rein gar nichts den direkten Umgang miteinander ersetzt.
Gäbe es nur noch Facebook, Twitter und Co., so könnte man meinen, dass alles verloren wäre. Täglich öffentlich zur Schau gestellter Hass sowie durch die Anonymität des Internets ausgelebter Frust ohne Rücksicht auf andere, schürt bei Vielen Ängste und lässt manche schier verzweifeln.
Aber es gibt zum Glück ein hoffentlich bald wieder zugelassenes Gegenmittel: Das Reisen! Reisen und der damit verbundene zwanglose und unmittelbare Austausch mit den Mitmenschen hilft, Ängste zu bekämpfen, Vorurteile zu relativieren, Fehleinschätzungen zu korrigieren und Abneigungen abzubauen. Das Internet kann das eigene Erleben niemals ersetzen. Im Gegenteil. Nur allzu schnell beeinflussen subjektive Auslassungen einiger weniger die eigene Meinung…
Als Beispiel nehme man nur das multi-kulturelle, multi-ethnische Singapur. Seit COVID leider fast vollständig geschlossen. Derzeit kaum Touristen. Ruft sich der Nicht-Kenner Bilder der Stadt im Internet auf, kommt er oder sie durch die unter Umständen sehr selektive Darstellung vielleicht zu dem Schluss, dass es „da ja nur Betonwüste“ gibt. Ein typischer Online-Irrtum!
Singapur – nicht nur aus Beton
Nur Beton? Weit gefehlt! Singapur, das eh schon – oft zu Unrecht – mit einer gewissen Voreingenommenheit vieler Besucher zu kämpfen hat, bietet so unendlich viel mehr. Neben der Möglichkeit zum Genießen von Kultur und gutem Essen lässt es sich dort nämlich auch vortrefflich wandern.
Den winzigen, dicht bevölkerten Stadtstaat vor der Südspitze der malaiischen Halbinsel als „Wanderparadies“ zu bezeichnen, liegt allerdings – zugegebenermaßen – nicht auf der Hand.
Doch lässt man einmal das Thema Urbanisierung beiseite, präsentiert sich die Millionenmetropole als überraschendes Mekka für Freunde von „Stadtexpeditionen ins Grüne“, so paradox dies auch klingen mag!
„Expeditionen“ deshalb, weil Ausflüge in Singapurs Naturgebiete und der dort anzutreffenden Tierwelt häufig geradezu Expeditionscharakter aufweisen. Es gibt wohl nur wenige Cities auf dem Globus, die mit ebenso vielen staatlich geschützten Grünanlagen und Nationalparks punkten können wie Singapur. Dabei reicht die Palette von wilden Mangrovengebieten bis hin zum von Affen durchhüpften, primären Regenwald. Neben Rio de Janeiro ist „Singapura“, die „Löwenstadt“, damit die einzige Weltstadt mit noch unberührtem Urwald innerhalb ihrer Stadtgrenzen.
Für jemanden, der sich nie in einen abgelegenen Dschungel trauen würde, eine ideale, gefahrlose Ersterfahrung; ein harmloser Test sozusagen, denn der nächste Außenposten der Zivilisation in Form einer Bus-/ U-Bahnhaltestelle oder eines klimatisierten Shopping-Centers ist stets in der Nähe. Eine schnelle Rettung im Falle des Tropenkollers ist also garantiert!
Denn solch eine Rettung, so ließe sich vermuten, ist vielleicht auch vonnöten; schließlich kann man im Sungai Buloh Wetland Reserve gelegentlich den großen Salzwasserkrokodilen begegnen, die manchmal auf den tadellos gepflegten Wanderwegen ihren Mittagsschlaf halten. Doch keine Angst: Bisher sind von Sungai Buloh keine ernsten Zwischenfälle mit den vorsintflutlichen Riesen-Echsen überliefert. Nicht zuletzt deshalb, weil ein Teil der Pfade auf Stelzen angelegt ist. Alle paar hundert Meter laden spektakuläre Aussichtsplattformen, die eher an überdimensionierte Vogelnester erinnern, zum Rundblick auf die See und das benachbarte Malaysia ein.
Friedliche Warane, die niedlichen Schlammspringer sowie die seltsamen Schützenfische, die ihre Insektennahrung durch Abschießen mittels einer Spuck-Attacke erlegen, runden die Großstadt-Safari ab.
Auf den ‘Connectors’ ins grüne Herz der Insel
Wer’s etwas weniger abenteuerlich mag, der begebe sich auf einen der vielen sogenannten Connectors. Die Stadt begann in den Neunzigerjahren, ein ausgedehntes System von „intra-nationalen“ Fuß- und Radwegen anzulegen. Diese Connectors verbinden die für Singapur so typischen Trabantensiedlungen miteinander und führen dabei durch (National-) Parks, Gärten, über Fluss-Promenaden, vorbei an künstlichen Seen oder auch einmal durch ein (zumeist wider Erwarten interessantes!) Gewerbegebiet. Mittlerweile nutzen fast alle diese einmaligen Verbindungswege zwischen den verschiedenen Arealen der Stadt – bieten sie doch maximale Abwechslung, sind praktisch und oft schlichtweg einfach nur schön!
Ach so, wussten Sie, dass Singapur eine der brückenreichsten Städte der Welt ist? Gut, vielleicht nicht Pittsburgh, Amsterdam oder Venedig, aber wenn Sie wollen, können Sie auch im Inselstaat den lieben, langen Tag eine Brücke nach der anderen ablaufen. Mal überqueren Sie dabei das Meer, mal Kanäle, mal Schnellstraßen, mal spazieren Sie durchs Kronendach tropischer Baumriesen oder einfach von Hügel zu Hügel. Und klar – viele der teilweise abenteuerlichen Konstrukte liegen selbstredend an einem der Connectors.
Gartenstadt Singapur
Die riesigen botanischen Gärten Singapurs haben inzwischen Kultstatus erreicht. So etwas wie die Gardens by the Bay mit ihren insgesamt 18, bis zu 50 Meter hohen, nächtlich beleuchteten Super Trees – utopische Stahl-Türme, die mit Pflanzen bewachsen sind – gibt’s nur hier. Die menschengemachte Anlage erinnert mit ihrer bisweilen beinahe surreal anmutenden Bepflanzung an die Science-Fiction Filme Avatar und Jurassic Park. Das gesamte Gebiet mit seiner sich um die Gardens herum erstreckenden Parklandschaft ist im Ãœbrigen ein vollwertiges Ziel für einen Ganztagsausflug. Wer danach abends keinen Muskelkater vom Laufen hat, der ist ein Ãœbermensch!
Der alte, bezaubernde Singapore Botanic Garden ist UNESCO-Weltkulturerbe und wird ständig erweitert. Beide Gärten liegen natürlich am oder in der Nähe eines Connectors!
Sorglos los!
Wer jedoch meint, alles Wandern müsse geplant werden und mache Mühe, der irrt. Nirgends ist es so einfach, planlos Schönes zu entdecken wie im Stadtstaat. Sorglos ohne festes Ziel im Kopf von der Unterkunft aus loszugehen, genügt schon. Irgendwann kommt der Besucher immer irgendwo an, wo es sich zu Schauen lohnt: Sei es in einem Kolonialviertel, welches noch die Ära britischer Noblesse zu atmen scheint oder an einem Volkspark, in dem ein eindrucksvoller Tree Top Walk die Besucher in die „oberen Stockwerke“ des Regenwalds entführt.
Ob man nun in einem wasserlaufdurchzogenen Naturgebiet, in einem der quirligen ethnischen Quartiere oder in einem der quasi namenlosen, modernen Bungalow-Siedlungen, deren Ruhe und Beschaulichkeit einen zum Verweilen einlädt, seine Runden dreht – selten ist kostbare Urlaubszeit verloren. Fast alles lohnt sich.
Kleiner Tipp für die Hungrigen und Durstigen: Eine preiswerte und ansprechende Einkehrmöglichkeit ist nie weit. Es locken nicht nur die an jeder Ecke zu findenden Malls, sondern auch die Handkarren der Ice Cream Uncles, die Sub-Zentren der kleineren Wohngebiete sowie die zahllosen Tante-Emma-Läden mit ihren kommunikationsfreudigen Besitzer/Innen. Wollen Sie Strand oder klassisches Südostasien-Feeling? Fahren sie nach Changi mit seiner vorgelagerten Insel Pulau Ubin im Osten der Stadt. Eine malerische Uferpromenade streift die ins Wasser gebauten, hölzernen Fischfang-Konstruktionen und endet (apropos essen) – sofern man dies denn will – in einem der ursprünglichsten Food Courts des Inselstaates.
Wandergang vs. Spaziergang
Ob die Exkursion ein Spaziergang bleibt oder doch zur Wanderung „ausartet“, überlassen Sie am besten Ihrer Tagesform und ihrer Standhaftigkeit gegenüber den mannigfachen Verlockungen unterwegs. Denn eins ist sicher: Ablenkung gibt es in Singapur immer und Wandermöglichkeiten noch mehr! Schlendern sie 15 Kilometer an Singapurs Südküste entlang, erklimmen sie den höchsten Berg der Stadt, durchstreifen Sie die ultramodernen, grünen Satellitenstädte!
Ich hoffe, dass wir alle bald wieder reisen können. Wenn Sie es tun und vielleicht in mein geliebtes Singapur kommen, dann lassen Sie sich einfach nur treiben, machen Sie das, was wir alle in diesen COVID-Zeiten so stark vermissen: Kommen Sie mit Menschen von Angesicht zu Angesicht ins Gespräch, hier in diesem Falle meine ich natürlich die unterschiedlichen Vertreter singapurischen Lebens, die in der Regel gerne Tipps geben und besonders häufig in den nicht so stark von Touristen frequentierten Außenbezirken der Stadt, ungefragt ihre manchmal überraschend kuriosen Ansichten zur Welt- und Staatslage kundtun; immer unterhaltsam, oft überaus interessant und lehrreich.
Vielleicht findet man Anekdoten hierüber selbst auch in der aufgeregten Parallelwelt des Internets – bestimmt aber in gut recherchierten Reisebüchern – doch „in echt“ ist ohnehin alles noch viel, viel beeindruckender, schöner, vielfältiger und vor allem „anders“!
Lassen Sie sich überraschen…
Noch mehr über Singapurs Geheimnisse finden Sie – neben anderem – in meinem Buch Ganz woanders- ein Leben unterwegs.
Ein bebildertes Wander-Lesebuch zu Singapur ist zudem in Vorbereitung.