Nicht oft bekommen selbst die Bewohner der nördlichen Regionen der Welt, also Alaska, Kanada, Russland und Grönland, einen Eisbären zu Gesicht. Gut so, denn so faszinierend die Tiere auch sind, sie sind ihrem Umfeld perfekt angepasste Raubtiere und keineswegs zu unterschätzen, sollten sie aggressiv sein oder sich bedroht fühlen.
Allerdings treibt der Klimawandel immer mehr Eisbären in die Ortschaften, um dort Müll zu durchwühlen und sich von Essensresten zu ernähren.
Eine Studie des Alaska Science Center in Anchorage, welche am 02.02.2018 in der Science vorgestellt wurde, untersuchte über einen Zeitraum von drei Jahren insgesamt neun Eisbärinnen für jeweils zwei Wochen, deren Stoffwechsel sowie Jagd- und Fressverhalten über ein Halsband mit GPS und Kamera nachvollzogen wurde.
Die Studie ergab nicht nur, dass der Energiebedarf der Nordpolbewohner etwa 1,6 Mal so hoch liegt wie bisher angenommen. Tatsächlich schafften es nur vier der neun Bären, im untersuchten Zeitraum ihren Energiebedarf angemessen zu decken, in dem sie z.B. eine ausgewachsene Robbe verspeisten. Die restlichen fünf Bären ernährten sich eher dürftig von Kadavern und Jungtieren und verloren innerhalb von zwei Wochen bis zu 1 kg Körpergewicht pro Tag. Besonders kritisch sind diese Werte, wenn sich die Eisbären im Frühling und Frühsommer eine Speckschicht zulegen müssen, um die Fastenzeit des Spätsommers und Herbstes zu überstehen. In dieser Zeit sind durch das schmelzende Eis die Jagdmöglichkeiten sehr eingeschränkt.
Der Klimawandel und die Eisbären
Der Klimawandel und das damit zurückgehende Eis macht es den Eisbären von Jahr zu Jahr schwerer, geeignete Plätze für die so genannte „stille Jagd“ zu finden, also das Ausharren an einem Wasserloch im Eis, bis sich dort eine nichts ahnende Robbe zum Luftholen zeigt. Sie müssen weiter wandern und länger schwimmen, um geeignete Schollen zu finden, was ihren Energiebedarf nur noch mehr steigen lässt. Die Fastenmonate ziehen sich in die Länge und selbst in der Hauptjagdsaison wird es schwieriger und schwieriger für die weißen Wanderer, mit dem Erbeuteten auszukommen.
Kein Wunder, dass die Eisbären nun beginnen, sich die Futtersuche leichter zu machen und sich dabei in die unmittelbare Nähe der Menschen begeben. In der westgrönländischen Gemeinde Ittoqqortoormiit hat es in den letzten fünf Monaten des Jahres 2017 allein 21 Zwischenfälle mit Eisbären gegeben, ein drastischer Anstieg zu den Jahren davor. Im Vergleich: Im Jahr 2007 wurden nur neun Eisbären im ganzen Jahr in der Ortschaft gesichtet. Hier ist der Link zu einem Video des WWF, in dem zwei Eisbären in Ostgrönland Abfälle nach Essbarem durchstöbern.
Foto: Smudge 9000 (Reflections of a Polar Bear, cc by-sa 2.0)
„Polar Bear Patrols“ – eine langfristige Lösung?
2006 hat der WWF das erste Mal eine „Polar Bear Patrol“ in Russland eingerichtet. Die Aufgabe der Patrol ist es, die Eisbären möglichst ohne Schaden an Mensch und Tier von Ortschaften fernzuhalten bzw. zu vertreiben, sollte sich doch einer der Bären dorthin verirren. Mittlerweile gibt es über ein Dutzend „Polar Bear Patrols“ auf drei verschiedenen Kontinenten, so auch in Ittoqqortoormiit. Zusätzlich werden noch andere Maßnahmen ergriffen, wie z.B. die Häuser eisbärensicher gestaltet und das Abfallsystem der Stadt überarbeitet, um so wenige der pelzige Besucher wie möglich anzulocken. Sollte sich die Umwelt der Eisbären aber weiter so radikal verändern, wird in Zukunft wohl eher mit mehr Besuchen gerechnet werden müssen.
Header Foto: Francesca Hotchin