Abenteuer und Natur pur
Spätestens seitdem Hape Kerkeling und Bill Bryson ihre Stiefel geschnürt und ihre Rucksäcke geschultert haben, sind Fernwanderwege wie der Appalachian Trail und der Jakobsweg in aller Munde.
Am anderen Ende der Welt erfreut sich seit einigen Jahren ein weiterer Trail zunehmender Beliebtheit: Der Te Araroa. Verglichen mit den bekannten Fernwanderwegen der Welt ist Neuseelands Trail ein roher Diamant. Und gerade dies macht seinen bezaubernden Charme aus. Der Te Araroa Trail bedeutet „Abenteuer und Natur pur“ auf einer Länge von 3.000 Kilometern.
Die Entstehung des Te Araroa
Neuseeland ist eine Nation von Outdoor-Liebhabern. Wer Peter Jacksons Der Herr der Ringe-Filme oder Der Hobbit gesehen hat, weiß warum: Unberührte Natur und die vielfältigsten Vegetationen erfreuen das Herz, soweit das Auge reicht.
Die Idee, einen Fernwanderweg ins Leben zu rufen, der all diese traumhaften Landschaften verbindet, gab es schon in den 1960ern. Der neuseeländische Journalist und ambitionierte Wanderer Geoff Chapple griff das Vorhaben in den 1990ern wieder auf und setzte es mit der Hilfe von vielen Freiwilligen in die Tat um.
2011 wurde der Te Araroa schließlich offiziell eröffnet und befindet sich seitdem im ständigen Wandel. Schon existierende Wanderwege wurden durch neue zu einem Fernwanderweg verbunden, der vom Norden der Nordinsel zum Süden der Südinsel führt. Te Araroa ist Maori und bedeutet „Der lange Weg“. Wer die 3.000 Kilometer von Cape Reinga nach Bluff (oder andersherum) wandert, hat tatsächlich einen langen Weg hinter sich – nicht nur physisch, sondern auch geistig.
Grundlagen – Das muss man wissen
Aufgrund der jahreszeitlich milderen Temperaturen im Norden, wandern die meisten vom Norden in den Süden. Verbunden mit einem späteren Start ist aber auch das Nordwärts-Wandern möglich.
Wer ausgebaute und gut ausgeschilderte Wanderwege erwartet, sollte den Te Araroa nicht gehen. Der Te Araroa lebt von seinem Pionier-Charakter und dem damit verbundenen Abenteuer. Oftmals ist ein GPS-Gerät zum Navigieren unabdingbar.
Essen muss für bis zu mehrere Wochen ohne Einkaufsmöglichkeit mit sich getragen werden, wodurch der Rucksack schwer wird. Auch ist ein Zelt unverzichtbar, da gerade auf der Nordinsel wenig alternative Unterkünfte entlang des Trails zur Verfügung stehen. Für denjenigen, der auch die Südinsel angehen möchte, lohnt sich ein „Backcountry Hut Pass“, der einem erlaubt, in den rustikalen Hütten entlang des Weges zu schlafen.
Auf der Nordinsel sind noch relativ viele Abschnitte des Trails Straße. Durch erfolgreiche und ständig neue Verhandlungen mit Grundbesitzern entlang des Weges, wird der Trail in der Zukunft mehr und mehr von der Straße weggeführt werden. Auch Wasserwege – z.B. im Kanu den Whanganui Fluss herunter – sowie Städte gehören zum Te Araroa dazu. Für die rund 3.000 Kilometer von Cape Reinga bis Bluff braucht man zwischen vier und sechs Monate.
Von Cape Reinga bis Wellington – die Nordinsel
Wie könnte man ein Land besser wahrnehmen als auf die natürlichste Fortbewegungsweise? Der Te Araroa führt einen sowohl an den bekannten Sehenswürdigkeiten als auch an verborgenen Schätzen vorbei. Er startet gleich an einem touristischen Highlight; Cape Reinga, wo die Tasmanische See und der Pazifische Ozean eindrucksvoll aufeinandertreffen.
Auch der folgende Ninety Mile Beach ist ein beliebtes Ausflugsziel. Unberührte Natur und das melodische Vogelorchester im „Bush“ lassen des Wanderers Herz höherschlagen. Die vielen Passagen über Kuh-, Schaf- und Stierweiden lassen das Herz manchmal auch höherschlagen – allerdings aus einem anderen Grund.
Atemberaubende Buchten und die Herzlichkeit der „Kiwis“ sind der Treibstoff, der einen weiterwandern lässt, auch wenn der Matsch in den Wäldern oftmals zum Verzweifeln ist. Nach dem Motto „Wenn Du in Neuseeland bist, bist Du jeden Tag in Neuseeland“ führt der Te Araroa nicht nur durch das Hinterland, sondern auch durch Städte wie Auckland, Hamilton, Palmerston North und Wellington. Es geht dabei vorbei an weiteren Highlights wie die Glühwürmchen-Höhlen in Waitomo, das Tongariro Crossing, das Kanufahren auf dem Whanganui Fluss und die berüchtigten Tararua Ranges.
Schaut man dann letztendlich von dem Te Araroa-Stein im Süden Wellingtons auf die bergige Silhouette der Südinsel, hat man 1.600 Kilometer hinter sich gelegt und wahrscheinlich viele wunderbare Erfahrungen gesammelt.
Von Ship Cove nach Bluff – die Südinsel
Die Cook Strait muss zum Glück nicht aus eigener Muskelkraft überwunden werden. Mit der Fähre geht es von Wellington nach Picton und von da aus mit dem Wassertaxi zur Ship Cove, dem Anfang des beliebten Queen Charlotte Tracks. Von dort aus geht es entlang der wunderschönen Fjorde zunehmend in alpinere Gebiete, bis der Trail schlussendlich auf der Ostseite der Alpen durch die Mitte der Südinsel führt.
Wochenlang ist man abseits jeglicher Zivilisation, bezwingt Gipfel, wandert durch Täler und watet durch wilde Flüsse. Der Ausblick von den Graten oder Gipfeln ist nicht nur atemberaubend, sondern lässt einem fast das Herz stehen bleiben.
Wie auch auf der Nordinsel säumen Highlights den Weg. Vom Arthur’s Pass über das Lichtschutzgebiet um Lake Tekapo zum neonblauen Lake Pukaki. Man wandert durch beliebte Städte wie Wanaka und Queenstown, entdeckt Goldgräber-Reliquien, bis man letztendlich in Invercargill, dem letzten Halt vor dem ultimativen Ziel, ankommt. Von dort sind es noch etwa 30 Kilometer bis Bluff; bis zum letzten Wegweiser auf neuseeländischen Festland. Danach kommen nur noch Stewart Island und dann die Antarktis. Der letzte Satz in den Trailnotizen lautet: Jetzt bist Du hier, wohin geht es als nächstes?
Fazit
Wenn man Wandern liebt und nicht das Abenteuer scheut, welches neuseeländisches Wandern birgt, ist der Te Araroa eine wunderbare Möglichkeit die Bewohner und das Land der langen weißen Wolke auf eine einzigartige und berührende Weise kennenzulernen. Wer jeden Tag im Voraus planen, täglich eine bestimmte Anzahl Kilometer „abreißen“ und einen Haufen anderer Wanderer kennenlernen möchte, ist hier eher an der falschen Adresse.
Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass, wer einmal dem Zauber des Te Araroa verfällt, nie wieder davon loskommt und ein Teil des Herzens auf dem Trail zurücklässt.
von Ann Kathrin Saul